Jahresfahrt 2019 nach Gatschina: erste tridentinische Messe seit 80 Jahren

Im Jahr 2019 brach die Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu erneut zu ihrer bereits zu einer Tradition gewordenen Jahresfahrt auf, zum neunten Mal seit Bestehen der Gesellschaft. Ziel dieser Reise war die größte Siedlung der Leningrader Oblast – die Stadt Gatschina. Die erste Erwähnung des Vorläufers von Gatschina, des Dorfes Chotschino, reicht zurück in die Jahre 1499–1500. Zar Paul I. verlieh ihr im Jahre 1796 das Stadtrecht.

Im Laufe von 130 Jahren, als Gatschina von den russischen Zaren regiert wurde, entwickelte es sich zur bestausgestatteten Kleinstadt des Russischen Reiches. Hier wurde der große Palast errichtet und in der Folge mehrfach umgebaut, der einzigartige Prioratspalast errichtet, das schöne Parkensemble gebaut, Schulen und Krankenhäuser eröffnet, die Eisenbahnanbindung und elektrische Straßenbeleuchtung eingerichtet. Das Palast- und Parkensemble sowie das historische Zentrum der Stadt zählen zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Die in Gatschina bestehende katholische Kirche wurde im Jahre 1911 geweiht, wenngleich die ersten Katholiken in Gatschina deutlich früher lebten: die erste offizielle Erwähnung datiert auf das Jahr 1794. Die letzte traditionelle Messe wurde in Gatschina Ende der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts gefeiert.

Diese und viele weitere Photographien katholischer Kirchen in Russland finden sie auf unserer Seite in der Rubrik "Glanz des vorkonziliaren Katholizismus"

Wie die gesamte Stadt wurde auch die katholische Kirche während des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt: eine deutsche Bombe fiel auf die Kirche und zerstörte das Gebäude praktisch vollständig. Nach dem Krieg wurden in den Ruinen eine Garage und eine Tischlerwerkstatt eingerichtet. Die örtliche katholische Gemeinde Unserer Lieben Frau vom Berg Karmel restaurierte jedoch die Apsis (den Altarbereich der Kirche) und feiert dort seit 1997 Gottesdienste. Die übrigen Teile der Kirche sind nicht restauriert.

Bis zum Jahr 2017, als P. Arkadij Grabowskij SDB Pfarrer der Kirche wurde, wurden zwei bis drei Mal in der Woche Messen gefeiert; jetzt finden täglich Gottesdienste statt.

Umgeben von fünfstöckigen Wohngebäuden stehen die Ruinen der Kirche. Aus den verwahrlosten und baufälligen Überresten der Kirche dringen die Stimmen von Jugendlichen, die über die Zäune klettern, während im renovierten Teil der Kirche Kerzen entzündet und die Vorbereitungen für die Feier der Heiligen Messe getroffen werden.

Erneut hat die Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu als Zelebranten der tridentinischen Messe und Referenten Don Reto Nay aus der Schweiz eingeladen, Doktor der Theologie, Philologe und Gründer des Internetportals gloria.tv, der bereits an der vorherigen Reise 2018 nach Kasan der Gesellschaft teilnahm und mit Eifer die erneute Reise nach Russland antrat. Er wurde begleitet von Gregor Huber, dem Leiter der Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu, Anna Schumakowa, der Inspektorin der Schola in Moskau, und der Dolmetscherin Dojna Busut, die ebenfalls in der Schola sang.

Bereits am Freitag, an dem meist nur wenige oder gar keine Gläubige die Messe besuchen, fanden sich außer dem Priester, den Vertretern der Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu und der Organistin noch drei weitere Anwesende. Am Samstag, der arbeitsfrei ist, waren mehr Gläubige anwesend. Nach der Messe blieben beinahe alle Anwesenden für den anderthalbstündigen Vortrag Gregor Hubers, in dem er genauer über die tridentinische Messe, ihre Struktur und Symbolik referierte und auch auf die Fragen der Gemeindemitglieder einging. Während des Vortrags verwies Gregor Huber oft auf die von der Gesellschaft herausgegebene Broschüre Ordo Missæ - die die unveränderlichen Teile der Messe enthält. Diese Broschüren erhielten auch die Gemeindemitglieder: bei jeder Reise verschenkt die Gesellschaft diese an die Anwesenden um die Tradition der katholischen Kirche bekannter zu machen. Wie so oft, wurden Fragen über das Schlussevangelium und die Kommunionspendung gestellt: warum wird die Heilige Kommunion nur auf Knien und nur unter einer Gestalt gespendet? Die Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen hat die Gesellschaft in einem russischsprachigen Merkblatt für alle Interessierten zusammengestellt. Am Sonntag war die Kirche sehr gut mit Gläubigen gefüllt. An allen drei Tagen wurden gesungene Ämter mit Orgelbegleitung gefeiert, wobei – zum ersten Mal bei einer tridentinischen Messe – die Organistin der Gemeinde Gatschina Ljudmila Awdorina spielte. Dank ihrer Erfahrung, ihres Talents und ihres Einsatzes gelang Ljudmila Awdorina eine glänzende Orgelbegleitung der Messe.

Ebenfalls ministrierte an diesen drei Tagen Gregor Huber, der am Sonntag von Stanislaw Tolstobokow unterstützt wurde, der sonst jeden Sonntag als Thuriferar in den Messen der Gemeinde in Gatschina wirkt. Wie Ljudmila hatte auch er keine vorherige Erfahrung mit der tridentinischen Messe, doch er eignete sich beinahe ohne vorherige Vorbereitung die Aufgaben eines Thuriferars in der traditionellen Liturgie erfolgreich an. Stanislaw hatte einmal eine tridentinische Messe auf einer Reise in Italien gesehen und freute sich sehr über die Möglichkeit sie in seiner Heimatgemeinde zu feiern.

Da das Ziel der Gesellschaft nicht darin besteht dem Volk die Messe als etwas rätselhaftes und unverständliches zu zeigen, sondern im Gegenteil sie zu erklären und näher zu bringen, erläuterte Don Reto Nay in seinen Predigten den Ablauf der Messe und klärte verbreitete Missverständnisse auf, beispielsweise den Irrtum, dass die Gläubigen nicht an der Messe teilnehmen könnten, warum der Priester die Messe nicht mit dem Gesicht zum Volk feiert und dass die Lesungen für das Volk unverständlich sind, und dass dies aus der Sicht der meisten heutigen Katholiken nicht nur in Russland, schlecht und von Gott distanziert sei. Das Geschick Don Reto Nays als Redner, sein feines Gespür als Prediger und seine Erfahrung blieben nicht ohne Erfolge: ausgehend von der Reaktion der Gemeindemitglieder können wir mit Überzeugung sagen, dass mehr Gläubige die Messe als aufrichtigen und vollkommenen Ausdruck der Ehrfurcht vor dem Herrn, als vollkommenes Opfer und nicht nur als ein Ritual der anwesenden Gemeinde sehen. Einen unschätzbaren Beitrag zum großen Erfolg der Predigten trug die präzise und hochwertige Übersetzung durch Dojna Busut bei, die ihre hervorragende theologische Ausbildung in Österreich erhielt. Viele Gläubige dankten Don Reto, den Ministranten und dem Chor herzlich für die Möglichkeit an einer tridentinischen Messe teilzunehmen.

Nach diesem Triduum sagte Gemeindemitglied Madeleine Kolchidaschwili in einem Gespräch mit Gregor Huber: „Wenn ich am nächsten Sonntag in Moskau bin, werde ich auf jeden Fall zu euch in die Messe kommen“, was man natürlich gern hört.

Im Rahmen der Reise besuchten die Vertreter der Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu auch den größten deutschen Soldatenfriedhof in Russland, der sich nahe des Dorfes Sologubowka 80 km von Gatschina befindet. Verschiedenen Quellen zufolge sind auf ihm 55 000 Soldaten der deutschen Armee begraben, die in der russischen Erde ihre letzte Ruhe fanden. Don Reto segnete den Friedhof und die Gräber. Alle beteten für ihre ewige Ruhe. In diesen Novembertagen, die in besonderer Weise den Verstorbenen gewidmet sind, verrichteten alle Teilnehmenden die Gebete für das Erlangen eines vollständigen Ablasses für die Verstorbenen.

Wir danken Alexander Schtscherbak für mehrere Photographien. Die Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu drückt P. Arkadij Grabowskij ihren Dank aus für die Möglichkeit in seiner Gemeinde die tridentinische Messe zu feiern. Wir wünschen der gesamten Gemeinde Gatschina Gottes Segen.

Postskriptum Gregor Hubers:

Auf jeder Reise gibt es nicht nur heilige Momente, wenn ein Großteil der Gemeinde kniend die Mundkommunion empfängt und man gleichsam spüren kann, wie sie mit Gnade erfüllt werden; es gibt auch Schwierigkeiten. Der Teufel schläft nie und tut alles, um unsere heilige Mission zu behindern. Kurz vor der Abreise fing nachts ein Kabel in der Küche Feuer; erst im letzten Moment dachten wir an den Photoapparat (und vergaßen ihn nicht in Moskau); am Morgen des Abreisetages versagte der auf fünf Uhr gestellte Wecker. Mit Gottes Hilfe ist es uns gelungen, alles zu schaffen.

Nach neun Jahren Arbeit kann man sagen, dass unsere Gesellschaft eine „Berufung“ hat Gott, dem Heiligsten Herzen Jesu und der traditionellen Messe auch weiter zu dienen, denn wir sehen, dass dieses Apostolat Früchte trägt und dass die Leute Interesse zeigen. Wir unsererseits, stets bemüht der Tradition der Katholischen Kirche in Russland zu dienen, lernen stets uns zu verbessern und im Glauben zu wachsen.

Ich danke allen, die die Arbeit der Gesellschaft finanziell unterstützen! Ewiges Vergelt’s Gott für Ihre Hilfe! Für Sie beten wir in der Heiligen Messe.